Auch Portal Gomopa mit neuen Recherchen
Schon bei der ursprünglichen Vertragsbeziehung der deutschen Geschädigten mit Piccor zeigen sich Auffälligkeiten. Die Vertragsunterlagen sind wenig professionell, erwähnen z.B. an einer Stelle gesetzliche Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland, die seit vielen Jahren außer Kraft sind. Auch das vorgeblich zur Sicherheit der Anleger betriebene Treuhändermodell wirkt bestenfalls laienhaft aufgesetzt und mehr als Marketingmittel, denn als Sicherungsinstrument für die Anleger. Entscheidend aber ist, dass der eingesetzte Vermögensverwalter Piccor AG offensichtlich nicht die Bewilligung hatte, um in der Schweiz die Vermögensverwaltung zu betreiben. Dies jedenfalls mutmaßen nicht wenige Akteure nach der Warnmeldung der FINMA aus dem Januar 2017. Erstaunlicherweise soll jedoch nicht die Piccor AG der Vermögensverwalter der geschädigten Deutschen Anleger gewesen sein, sondern eine Gesellschaft Varian AG aus Liechtenstein. So jedenfalls zitiert ein Artikel aus der Welt aus dem Juli 2016 Herrn Thomas Entzeroht, einstmals Präsident des Verwaltungsrates der Piccor AG und seines Zeichens Geschäftsführer der Varian AG aus Liechtenstein. Merkwürdig nur, dass diese Delegation zur Varian AG kein Anleger kannte. Für die Staatsanwaltschaft Berlin sicher von Interesse: „Thomas Entzeroth ist nicht nur laut seinem XING-Profil seit 2002 Präsident der Swiss Finance Group AG, dem Hauptgesellschafter der n-balance GmbH aus der Hubertusallee 74 in Berlin, die wiederum im Impressum der Homepage www.picam.de als inhaltlich und rechtlich verantwortlich steht“, auf was Gomopa hinweist. „In diesem Zusammenhang tauchte die VARIAN defensive capital GmbH aus Pöttmes bei Augsburg auf, die zuvor nur Defensive Capital GmbH hieß und der eine im Jahr 2010 mit 100 Euro bestückte Defensive Capital 2 KG in der Augsburger Straße 10 in Pöttmes gehört, sowie die neue VARIAN DC Service GmbH aus Berlin, berichtet Gomopa weiter.
Entzeroths Mitgeschäftsführer in der Varian AG, Herr Wszerad Mardini, scheint vor allem Experte für gebrauchte Kraftfahrzeuge zu sein. Er fungiert gleichzeitig als Geschäftsführer einer „Swiss Motors“, die sich angeblich mit Sport- und Luxuskraftfahrzeugen beschäftigt, derzeit auf dem Portal Mobile.de aber ein eher sehr kleines und gewöhnliches Portfolio von Fahrzeugen im durchschnittlichen Preissegment anbietet. Nicht weniger interessant ist die Besetzung des Verwaltungsrates der Varian AG. Den Präsidenten gibt dort der Berliner Wirtschaftsprüfer und ehrenamtliche Richter am Landgericht Berlin, Manfred Eschenbach; der sog. Treuhänder der Kunden der Piccor AG. Herr Manfred Eschenbach war es auch, der wiederholt Handelsergebnisse der Piccor aus der Vergangenheit bestätigte. Die Bestätigungen wurden wiederum zu Werbezwecken bei den Kunden eingesetzt. Im abgesicherten Geschäftsmodell soll der Berliner Wirtschaftsprüfer Depotinhaber des „Anderdepots“, geführt bei einer Genossenschaftsbank in Berlin sein. Ob dort Wertpapiere sind und in welcher Höhe, ist LSS Rechtsanwälte noch unbekannt. Ermittlungen hierzu laufen gegenwärtig.
Ist bis zur Warnmeldung der FINMA noch einiges nachvollziehbar, wird es danach vogelwild, so RA Matthias Schröder. „Als man eigentlich eine geordnete (behördlich kontrolliert) Abwicklung erwartet hätte, bastelten die Verantwortlichen an einer neuen Geschäftsidee. Laut dem Informationsportal „Gomopa“ wurde hierzu in Berlin „am Sitz der Picam GmbH am 17.03.2017“ die VARIAN DC Service GmbH gegründet. Gomopa berichtet weiter, dass „Der Picam-Geschäftsführer und Alleineigentümer Pascal Savelsbergh (44) der Picam GmbH zugleich Handlungsbevollmächtigter (Prokurist) der VARIAN DC Service GmbH mit gemeinsamer Adresse in Berlin“ ist. Mit großen Engagement wurden Depots bei der Gesellschaft Moventum eröffnet, in die das beworbene „bankenregulierte und insolvenzgeschützte“ neue Produkt eingebucht werden sollte. Bei diesem Produkt handelt es sich um ein sog. „Compartement“ nach Luxemburger Recht, für das freilich eine Wertpapierkennummer (WKN A 19CX7) beantragt und vergeben wurde. Dies ist leider generell kein Qualitätsmerkmal, denn das höchstriskante Wertpapier in der Gestalt einer Inhaberschuldverschreibung ist keineswegs an der Börse handelbar. Der Emittent Piccox Securisation S.A. hatte und hat nicht vor dieses Wertpapier an einer Börse zu listen. Nicht nur gleicht das ganze Konstrukt eher einer Blackbox, denn einem transparenten Investment, es ist so gut wie illiquide. LSS Rechtsanwälte recherchieren gegenwärtig mit mehreren Anwälten und Finanzexperten auch zur Liquidität und Ausgestaltung dieses Wertpapieres.
„Keiner weiß derzeit, ob es gut oder schlecht ist, wenn man das Wertpapier in sein Depot bei Moventum bekommen hat. Immerhin hat man in letzterem Fall eine Ahnung davon, wer die Anlagesumme zuletzt erhalten hat und wo sie sich befindet. Außer Nebelkerzen kommt von den vermeintlichen Hintermännern nichts Schriftliches“, so Schröder. Noch nicht einmal der „Verdächtige“ der Verdachtsanzeige, initiiert von Herrn Thomas Entzeroth, wird von diesem benannt. Es besteht Hoffnung, dass diese Aufklärungsversuche, für die mutmaßlich auch noch Anlegergelder verwendet werden, in kürze durch staatliche Intervention unterbunden werden, hofft der Frankfurter Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Während der Fachdienst kapital-markt-intern, bereits am 04.08.2017 ein düsteres „Fazit“ zog, gab es noch Versprechungen der Picam in Kundeninformationen wie „Da Ihre Gelder nicht mehr in der Anlage liegen, geht hier kein Risiko aus und es herrscht absolute Sicherheit für Ihr Kapital“.
LSS Rechtsanwälte, die zahlreiche Mandanten vertreten, haben Strafanzeige u.a. gegen Pascal Savelsbergh und Thomas Entzeroth erstattet. Der Fall wird dort von mehreren Anwälten im Dezernat Kapitalmarktrecht/Anlagebetrug bearbeitet.
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