Biohacking hat sich vor allem in den USA in den vergangenen Jahren zum Megatrend entwickelt. Aber was versteckt sich hinter dem kyrptischen Begriff?
Hacking kennen die meisten von uns als Begriff aus der Technologie. Ein Hacker ist jemand, der sich unautorisiert Zugang zu einem Computer oder einem System verschafft. Jetzt fragst du dich vielleicht, was das mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun hat.
Biohacking ist unter anderem ein populäres Marketingbuzzword geworden, das verwendet wird, um Nahrungsergänzungsmittel, verrückte Diäten und anderen Hokuspokus zu verkaufen, der sonst wahrscheinlich eine deutlich kleinere Anhängergruppe hätte. Gleichzeitig ist aber auch einiges spannend am Thema Biohacking und die Idee des Ich 2.0 absolut nichts Neues.
Wenn du deinen Körper als komplexes System betrachtest, dessen Funktionalität sich auf immer wiederkehrenden Prozessen aufbaut, funktioniert er tatsächlich wie ein Computer, nur eben viel komplexer. So komplex, dass man den eigenen Körper natürlich nicht einfach hacken kann. Aber man kann sich neuste Erkenntnisse aus der Wissenschaft und moderne Technologie zunutzen machen, um die eigene Leistung zu messen und langfristig zu verbessern. Klingt nach SciFi, aber wenn du ein FitBit besitzt, ist das schon lange Realität. Wahrscheinlich bist du selbst ein Biohacker, ohne es zu wissen.
Biohacking, was ist das?
Biohacking ist ein weitgefächerter Begriff, vor allem wegen seines weiten Anwendungsfeldes. Allgemein gesprochen ist Biohacking die Praxis mit Hilfe von moderner Technik und Wissenschaft den eigenen Körper besser kennen zu lernen und seine Funktionalität zu verbessern. Sprich, wenn du täglich einen Fitnesstracker oder eine Smartwatch trägst, bist du eigentlich ein Biohacker. Das Konzept ist also nicht neu, das Spektrum aber sehr weit gefächert. Biohacking reicht von Änderungen im Lebensstil und der eigenen Ernährung bis hin zu Hightech Experimenten mit Implantaten.
Deine Tasse Kaffee am Morgen ist letztendlich auch Biohacking. Dass Coffein wach macht, ist kein Geheimnis. Auf biologischer Ebene funktioniert das vereinfacht folgendermaßen: Während du wach bist, produziert dein Gehirn gleichzeitig Adenosin, einen Botenstoff, der dich müde macht. Je höher der Adenosinspiegel in deinem Körper, desto müder wirst du und entscheidest dich am Ende des Tages, ins Bett zu gehen. Adenosin dockt an bestimmte Rezeptoren in deinem Körper an. Jeder Botenstoff, der an diese Rezeptoren andockt, muss eine bestimmte Oberfläche haben, um wie ein Schlüssel ins Schloss zu passen. Coffein hat eine sehr ähnliche Oberfläche und kann deshalb an dieselben Rezeptoren andocken und diese blockieren. Da die meisten der Rezeptoren zumindest für einige Zeit durch Coffein blockiert sind, fühlt sich das Gehirn weniger müde, da weniger Adenosin andocken kann. So funktioniert Biohacking.
Biohacking – was steckt dahinter?
Das zugrunde liegende Konzept ist alt: Unser Körper reagiert auf seine Umwelt. Direkt, auf hormoneller und auf molekularer Ebene. Deine Ernährung hat zum Beispiel einen grundlegenden Einfluss auf deine Gefühle, deine Leistung und dein Wohlbefinden. Das liegt unter anderem daran, dass sich deine Zellen zyklisch regenerieren und die notwendigen Stoffe dafür aus der Nahrung ziehen, die du zu dir nimmst. „Du bist, was du isst“, ist also tatsächlich so. Gleichzeitig wirkt sich deine Ernährung langfristig auf deine Darmbakterien aus, die wie ein zweites Gehirn in deinem Körper funktionieren und deine Emotionen und Leistungsfähigkeit beeinflussen. Aber mehr dazu später.
Neu ist allerdings der ganzheitlichere Ansatz des Biohackings. Es geht nicht ausschließlich um Verbesserungen der körperlichen Leistung, Körper und Geist sind eng mit einander verbunden und ‚Hacks‘ verbessern damit die Gesamtheit deines Wohlbefindens. Biohacking kann demnach in unterschiedlichen Bereichen betrieben werden: Auf körperlicher, mentaler und spiritueller Ebene. Wichtig ist dabei auch die Messbarkeit der Ergebnisse. Biohacking steht häufig in Verbindung mit Tools, die Veränderungen über einen längeren Zeitpunkt messen und dadurch vergleichbar machen.
Extreme Bio-Hacks
Die eigenen Ernergielevel durch einen Kaffee am Morgen „hacken“ klingt allerdings ein bisschen lahm. Viel spannender sind diejenigen, die die Grenzen der eigenen Physiologie pushen und herausfinden wollen, was für den menschlichen Körper möglich ist. Vorne weg: Ich möchte niemanden dazu ermutigen, biotechnologische Experiemente an sich selbst durchzuführen. Vielmehr geht es mir darum, zu zeigen, was mit Technologie in Zukunft vielleicht möglich sein könnte und was extreme Vorreiter der Szene heute schon möglich machen.
Einer dieser Vorreiter ist zum Beispiel Liviu Babitz, Gründer des Startups Cyborg Nest. Sein Unternehmen verspricht, die menschliche Erfahrungswelt durch neue Sinne zu erweitern. Genau das hat er für sich selbst getan: Babitz trägt ein Implantat auf der Brust, das leicht vibritert, wenn der Träger sich nach Norden ausrichtet. Das Tool heißt „North Sense“ und hilft dem Träger, die Himmelsrichtungen wahrzunehmen, eine Eigenschaft, die im Tierreich weit verbreitet ist. Ob man das in Zeiten von Google Maps braucht, sei erstmal dahin gestellt. Auch wenn Babitz „North Sense“ eine überwiegend körperliche Erfahrung ist, hat sie dennoch eine mentale Komponente. Allein die ständige, unbewusste Erinnerung daran, wo Norden ist, wird langfristig die räumliche Erfahrung der Träger beeinflussen und erweitert ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Rich Lee ist ein weiterer Biohacker, der seine körperlichen Funktionen durch Technologie erweitert hat. Vor einigen Jahren begann er damit, sich Magneten in seine Fingerkuppen implantieren zu lassen, mittlerweile hat er Kopfhörerimplantate in beiden Ohren, die es ihm erlauben Musik zu hören und zu telefonieren. Außerdem hat er unser anderem mit Augentropfen experiementiert, die es ihm erlauben, im Dunkeln zu sehen. Seine Experiemente und Selbstversuche finden sich auf YouTube.
Schlaf, ein Biohack, der dein Leben verbessern
Klar, das klingt nicht so spannend, wie ein Magnetimplantat im Finger, hat dafür aber extreme Auswirkungen auf alle Bereiche deines Lebens. Schlaf ist wahnsinnig wichtig für die Regeneration von Körper und Gehirn. Eigentlich ist es absolut verrückt, sich vor zu stellen, dass manche Menschen damit angeben, wenig zu schlafen. Wenig schlafen verschlechtert die Gedächtnisleistung und kann sich langfristig negativ aufs Gehirn auswirken.
Ein regelmäßiger Schlafrythmus ist wichtig für deine Produktivität und wahrscheinich ein „Hack“, den ich dir nicht wirklich verkaufen muss. Der Körper gewöhnt sich an die Routine, sie hilft ihm, schneller einzuschlafen und sich dadurch schneller und besser zu regenerieren.
Alkohol vor dem Schlafen gehen wirkt sich negativ auf den Schlafrythmus aus und kann verhindern, dass du in Tiefschlafphasen kommst, in denen sich das Gehirn regeneriert und Erlebtes verarbeitet. Wenn du es nicht glaubst, kannst du einen Fitnesstracker zur Hilfe nehmen, der ebenfalls deinen Schlaf aufzeichnet und sehr wahrscheinlich feststellen, dass deine Tiefschlafphase unregelmäßiger werden nach dem Trinken oder sogar ganz ausbleiben.
Coffeein (oder Energiedrinks) solltest du bereits mehrere Stunden vor dem Schlafen gehen nicht mehr zu dir nehmen, um besser zu schlafen.
Reduziere deine Screentime. Vor dem Schlafengehen noch mal schnell Instagram und Facebook checken ist eine schlechte Angewohnheit, die sich auch auf deinen Schlaf auswirken kann. Das blaue Licht der Smartphones senkt deinen Melatoninspiegel (Melatonin macht dich müde und schläfrig) und hindert dich am Einschlafen.
Fazit:
Du musst dir keine verrückten Implantate einsetzen oder wahnwitzige Dinge mit deinem Körper anstellen, um dich als Biohacker bezeichnen zu können. Letztendlich ist die Bezeichnung für die Bewegung auch eher zweitranging. Viel wichtiger ist, dass schon kleinste Veränderungen in Ernährung und Verhalten dein Wohlbefinden und deine Leistungsfähigkeit maßgeblich verändern können.
Ein großer Vorteil beim Biohacking ist die Messbarkeit deiner Fortschritte. Verbesserungen, die so entstehen, sind durch Fitnesstracker oder das analoge Aufschreiben der Werte über einen längeren Zeitraum nachverfolgbar. So kannst du in vielen Fällen direkt nachweisen, dass dein persönlicher Zustand sich verbessert.
Gleichzeitig bietet Biohacking einen spannenden Ausblick in die Zukunft. Wenn schon heute Hobby-Wissenschaftler in ihren Hauslaboren dazu in der Lage sind, sich durch Implantate Zugang zu neuen Sinnen zu verschaffen, was wird dann noch in unserer Zeit alles möglich sein? Was meinst du, aufregend oder gruselig?
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