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Die Wissenschaft der Gemmologie – Wann ist ein Stein ein Edelstein? Österreich hat eine lange Geschichte in der Edelsteinkunde, im Gespräch mit Dr. Thomas Schröck, Gemmologe und Edelsteinexperte, The Natural Gem GmbH, Wien/Österreich

Bereits 1366 nach Christi Geburt wurde das Handwerk im Bereich Edelsteine, Gold und Silber schriftlich geregelt und so eine traditionelle mündliche Überlieferung aus uralten Zeiten in einer feierlichen Urkunde festgehalten. Das Wiener Handwerk und die Kunstfertigkeit um Edelsteine, Gold und Silber sollen hohen Standard haben und werden streng überwacht. Dies gilt bis heute; aus Edelsteinen und Gold entstanden unschätzbare Kunstwerke, und die Verbindung zum Herrscherhause Habsburg begründeten Tradition, Vertrauen, Wertschätzung und Liebe – über Jahrhunderte. Die „Sissi-Sterne“ der Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn gelten heute als die berühmtesten Edelsteine der Geschichte. Mag die Wirklichkeit auch profan gewesen sein, die Zeiten von Sisi und Kaiser Franz Joseph I. stehen für das „felix austria“, das glückliche Österreich. Mögen andere Länder Kriege führen, Österreich heiratet lieber. Auch die sakrale Kunst der Kirchen in Österreich ist ebenfalls ein Zeugnis, das Weltberühmtheit genießt. „Die Edelsteinkunde, die Gemmologie, der Fachbegriff der Steinkunde, hat in Österreich eine lange Geschichte. Die Gemmologie ist ein Teilbereich der Mineralogie und Geologie. In der Edelsteinkunde werden die Werte, Schönheit und Seltenheit wissenschaftlich erforscht und begleitet“, erklärt Dr. Thomas Schröck, der seit über 30 Jahren als Gemmologe (Edelsteinkunde) tätig ist.

Die Lehre von der Gemmologie

Die Gemmologie bezeichnet die Lehre von geschliffenen Edel- und Schmucksteinen. Das Wissen der Mineralogie, aber auch der Chemie und Physik, wie zum Beispiel Untersuchungsmethoden, Identifizierung von Edelsteinen und das Unterscheiden von Imitationen, stellen die Grundlagen der Gemmologie dar. Im Gegensatz zur Mineralogie richtet sich die Gemmologie eher nach der Bedeutung der Steine für den Edelstein- und Schmuckhandel. Die Fortschritte beim Schliff von Edelsteinen im Laufe der Jahrhunderte führten zu einem eigenen Teilgebiet. Charakterisieren lassen sich die Edel- und Schmucksteine unter anderem nach Schönheit, Seltenheit, Qualitätsmerkmalen, Schliffen und Behandlungsart. Die Gemmologie befindet sich in einer engen Verknüpfung mit dem weltweiten Handel mit den wertvollen Steinen. Über die Jahre veränderte sich die Art der Edelsteine: Neben mineralischen Steinen werden organische und synthetische Edelsteine (synthetische „Edelsteine“ dürfen nach CIBJO NIEMALS „Edelstein“ genannt werden, sondern eben „Synthesen“) sowie Imitationen angeboten und gehandelt. „Die Gemmologie ist momentan davon getrieben, dass unglaublich schnell Erkenntnisse gewonnen werden durch Spektralanalysen, durch Maschinen, die wir bis jetzt nicht hatten. Dieser technologische Fortschritt dient der besseren Echtheits- und Wertbestimmung von Edelsteinen. Viele Menschen verstehen von der Materie Gemmologie zu wenig, die unabhängigen Prüfungen zertifizierter Institute bringen Gewissheit“, erklärt Dr. Thomas Schröck. Für die ehemalige Zunft, dem Handwerk und der heutigen Handwerkerinnung, ist nichts ehrenrühriger als ein verantwortungsloser Umgang mit den Geschenken der Erde.

Gemmologie als wissenschaftliche Fachrichtung

Seit dem 19. Jahrhundert – den Zeiten des modernen Österreich-Ungarns – stellt die Gemmologie eine eigene Ausbildungsrichtung dar. Wien, die Weltstadt der Kultur und Schönheit, des Friedens und Wohlstands, war seit allen Zeiten dabei. Österreichs Geschichte der Gemmologie ist im Naturhistorischen Museum Wien begründet und festgehalten. Die Sammlungen zuerst von Rudolf II. und dann von Erzherzog Ferdinand II. von Tirol und Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen, wurden von Maria Theresia nach dem Tod ihres Mannes 1765, in staatlichen Besitz gegeben und so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Maria Theresia beauftragte den weltbekannten Mineralogen Ignaz von Born, die Sammlungen zu ordnen und zu vervollständigen. Somit wurden die Sammlungen mit den Jahren umfangreicher, weshalb der Bau zweier Museen geplant und durchgeführt wurde, welche 1889 von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet wurden. Langsam zogen andere Länder nach. Kenntnisse im Bereich Edelsteine waren privilegierten Schichten vorbehalten. Durch die Einführung der Gewerbefreiheit Mitte des 19. Jahrhunderts war der Handel und der Schliff von Edelsteinen breiteren Schichten zugänglich. 1908 gründete sich die Britische Goldschmiede Vereinigung NAG (National Association of Goldsmiths of Great Britain), die von nun an Lehrgänge anbot und den Teilnehmern den Titel des Gemmologen verlieh. Ab 1931 bot das neu gegründete Gemmological Institut of America (GIA) Fernkurse an.

Daraus entwickelten sich unabhängige, zertifizierte gemmologische Institute, die sich auf die Begutachtung und Zertifizierung von Edelsteinen spezialisiert haben. Diese Gemmologischen Institute, wie zum Beispiel das GIA – Gemological Institute of America in New York, das HRD – Gemmologisches Institut Antwerpen in Belgien, die DSEF – Deutsche Stiftung Edelsteinforschung in Idar-Oberstein, das GLA – Gemmologisches Labor Austria KG, die SSEF- Schweizerische Stiftung für Edelsteinforschung in Basel oder das GGL- Gübelin Gemological Laboratory in Luzern, genießen weltweit einen hochangesehenen Ruf. Unter Hilfestellung verschiedener Techniken, wie die kristalloptische Messung, photometrische Messung, Mikroskopie, Spektroskopie oder Röntgenanalyse erfolgt die Echtheits- und Wertbestimmung. „Festzuhalten ist, dass die Begutachtung sich je nach Institution und Steineart richtet. Bei den klassischen Blue Chips – Rubin, Saphir, Smaragd – ist die Begutachtung immer am teuersten. Bei allen gemmologischen Institutionen der Erde richtet sich beim Rubin, Saphir oder Smaragd der Preis einer Begutachtung nach dem Gewicht des Steines. Je schwerer ein Stein ist desto teurer wird ein Gutachten. Es ist völlig egal, ob das Gutachten von der Deutschen Stiftung Edelsteinforschung, von der Schweizerischen Stiftung für Edelsteinforschung oder der GLA – Gemmologisches Labor Austria KG kommt“, erklärt Dr. Thomas Schröck.

Naturhistorisches Museum in Wien

In Österreich prägte der bekannte Edelsteinspezialist und Mineraloge Univ.-Prof. Dr. Hermann Michel die Geschichte des Naturhistorischen Museum, in dem er von 1933 bis 1938 und von 1947 bis 1951 als Museumsdirektor und in den Jahren von 1923 bis 1952 als Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung fungierte. Prof. Michel war eine der ersten Personen, die sich mit der praktischen Gemmologie beschäftigte und diese im Bereich des Goldschmiedehandwerks und des Edelsteinhandels verbreitete. Bereits 1912 wurde Michel zum Leiter der Untersuchungsanstalt für Edelsteine in Wien ernannt.

Prof. Michel war es auch, der Verfahren zur Unterscheidung von künstlichen und natürlichen Edelsteinen sowie von Zucht- und Naturperlen entwickelte und somit einen bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag zur Edelstein- und Perlenkunde lieferte. Sowohl durch Fachbücher und Zeitschriften als auch durch Vorträge im In- und Ausland konnte Prof. Michel Teile seiner Forschung an die weltweite Öffentlichkeit weitergeben, und seine Methoden verbreiteten sich. In seinem Amt als Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung wurde Michel von Prof. Dr. Hubert Scholler abgelöst, welcher gleichzeitig auch Leiter des 1954 gegründeten Staatlichen Edelsteininstitutes und Lehrbeauftragter für Edelsteinkunde an der Akademie für angewandte Kunst in Wien war. Durch zahlreiche Kurse, Vorträge und Publikationen war Dr. Scholler nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt. Außerhalb des Naturhistorischen Museums wurden die ersten professionellen Schritte von Prof. Karl Siess gewagt. Bereits im jungen Alter von 22 Jahren war Karl Siess Gold- und Silberschmiedemeister. In den 1950er- bis 1980er-Jahren leitete er die Untersuchungsanstalt für Edelsteine und Perlen und galt als einer der bedeutendsten Vorreiter der österreichischen Gemmologie. Prof. Karl Siess wurde unter anderem für seine Perlen-Untersuchung und das erste horizontale Edelstein-Mikroskop weltbekannt.

Globale Ausbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Österreich

Da Europa in den letzten Jahrzehnten von neuen Edelsteinmaterialien, Synthesen und organischen Substanzen überflutet wurde, arbeiteten viele Länder an der Gründung gemmologischer Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. London, Antwerpen sowie das deutsche Idar-Oberstein eröffneten edelsteinkundliche Institute. „In den 1960er Jahren eröffnete Professor Walter Mican, Goldschmiedemeister, Juwelier und Gemmologe (Ausbildung in Idar-Oberstein), der bis zu seinem Tode 2008 zu den großen Persönlichkeiten der Juwelenbranche zählte, ein privates Edelsteinlabor „Mican Juwelen und Laboratorien für Edelsteinuntersuchung und Edelsteinbewertung GesbH“ – das heutige Gemmologische Labor Austria KG (GLA). Professor Mican ist es zu verdanken, dass der Begriff „Gemmologie“ in die österreichische Juwelen Branche eingeführt wurde. Neben seinen richtungsweisenden Publikationen im „Der Sachverständige“ ist es sein Einsatz, dass die international anerkannte Graduierung von Diamanten und Perlen in Österreich etabliert wurden. Durch das Zusammenführen wissenschaftlicher Erkenntnisse mit der Anwendbarkeit in der Praxis wurden unter Federführung von Professor Walter Mican unter anderem Bewertungsrichtlinien für Schätzungen erarbeitet und erstellt. Eine Besondere Auszeichnung verlieh dem Unternehmen „Mican Juwelen und Laboratorium für Edelsteinuntersuchung und Edelsteinbewertung Gesellschaft mbH“ (heute dem GLA) der österreichische Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten im Februar 1997. Das Unternehmen des Professors Mican erhielt die Auszeichnung für das Führen des Bundeswappens der Republik Österreich im geschäftlichen Verkehr“, gibt Dr. Thomas Schröck zu bedenken.

Die Gründung der Ersten Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft (EÖGG) von Hofrat DI DDr. Johann Ponahlo und Juwelier Anton Haban lässt sich auf das Jahr 1971 datieren. Das EÖGG fungierte auch als Forschungsinstitut der gewerblichen Wirtschaft Österreichs. 1990 wurde die Gesellschaft zur heutigen Österreichischen Gemmologischen Gesellschaft (Ö.GEM.G.) umgewandelt. Die Leitung der Gesellschaft wurde von Prof. Leopold Rössler, Dr. Gerhard Niedermayr und Gabriela Breisach übernommen und bis heute fortgeführt. Gemeinsam mit anderen Instituten und in Zusammenarbeit mit der Universität Wien entstanden anerkannte Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die weltweit einen guten Ruf genießen. Österreichs Gedanke der Zunft von 1366 lebt also weiter: Rechtschaffenheit, Qualität und Tradition.

V.i.S.d.P.:

Amelie Hauger
Studentin & Bloggerin

Über The Natural Gem GmbH:
Dr. Thomas Schröck ist seit über 25 Jahren Edelsteinexperte und geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens The Natural Gem GmbH mit Sitz in Wien, Österreich. Er verfasste das Werk „Edelsteine als Investment: Der GEWINN-Ratgeber“, Dr. Georg Wailand (Herausgeber), Autor: Dr. Thomas Schröck.

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