Virtuelle Preisverleihung am „Tag der Handschrift“: 100 Briefe von Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz ausgezeichnet
Wiesbaden (hds).- „Menschen brauchen Freiheiten, um Fehler zu begehen und aus ihnen zu lernen“, meint Mia. „Ein Leben ganz ohne Freiheit wäre für mich unvorstellbar, weil das Leben ohne einen Funken Freiheit keinen richtigen Sinn ergibt“, schreibt Carlotta. „Freiheit ist Ungebundenheit, Freiheit ist Leben. Jeder empfindet Freiheit anders“, erklärt Helena. Schon fast philosophisch muten diese Zeilen an. Sie alle stammen aus handgeschriebenen Briefen von hessischen Schülerinnen und Schülern der 6. und 7. Klassen. Als die Stiftung Handschrift im Sommer vergangenen Jahres zum vierten Mal zu ihrem Schülerschreibwettbewerb aufrief, war niemandem klar, welche Brisanz das Thema „Freiheit“ aufgrund der politischen Entwicklungen zum Zeitpunkt der Preisverleihung haben würde.
Beim Start des Wettbewerbs im Sommer 2021 hatte die Stiftung wichtige Fragen gestellt: „Was bedeutet Freiheit für dich?“, „Wann fühlst du dich richtig frei?“, „Wie definierst du Freiheit?“ Daraufhin erreichten im Herbst 9.500 Briefe die Fachjury – rund 2.500 mehr als im Jahr zuvor. „Sie alle sind einzigartige Zeitdokumente und bieten einen unverfälschten Einblick in das Denken und Erleben von Kindern und Jugendlichen. Zugleich regen viele der darin getroffenen Aussagen auch Erwachsene zum Nachdenken an“, so Raoul Kroehl, Geschäftsführer der Stiftung Handschrift. 100 Briefe wurden nun – pandemiebedingt – in einer virtuellen Feierstunde am 1. April 2022, dem „Tag der Handschrift“, vom hessischen Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz prämiert. Dank moderner Technik fieberten so nicht nur die Preisträgerinnen und Preisträger, sondern auch die Familien zuhause und ganze Schulklassen vor den Bildschirmen mit.
In seiner Ansprache ging Kultusminister Lorz auf die Bedeutung des Schreibens mit der Hand ein, griff aber auch die aktuelle Lage auf: „Die Handschrift ist eine unserer grundlegenden Kulturtechniken und individuelles Markenzeichen eines jeden Menschen. Wer einen Brief schreibt, transportiert eine Wertschätzung für den Empfänger, die eine Nachricht in den sozialen Medien nicht vermitteln kann. Dasselbe gilt für die Plakate, die Schülerinnen und Schüler aus ganz Hessen derzeit bei den friedlichen Protesten für Frieden und Freiheit in der Ukraine in die Höhe recken. Ich bin beeindruckt von der Solidarität, die sie dadurch mit ihren von Krieg und Vertreibung betroffenen Gleichaltrigen bekunden.“ Lutz Roschker, Vorstand der PwC Stiftung, die den Wettbewerb von Beginn an mitträgt, nahm sich in seinem Grußwort ebenfalls der aktuellen Pandemie- und Kriegssituation an: „In Zeiten, in denen Krisenmanagement weitgehend das öffentliche Handeln bestimmt, ist es umso wichtiger, die Fundamente nicht zu vernachlässigen, auf denen unsere Gesellschaft und unser Fortschritt ruhen. Zumal wir sehen, dass die nächstfolgende Krise die vorangegangene lediglich schluckt, nicht aber verdaut, geschweige denn löst. So sind wir froh, als PwC-Stiftung einen Beitrag zur Besinnung auf Grundlegendes zu leisten.“
Erklärtes Ziel der Stiftung Handschrift ist es, gemeinsam mit Schulen außerhalb des Unterrichts Anlässe zum handschriftlichen Schreiben zu schaffen. Im digitalen Zeitalter, aber auch vor dem Hintergrund möglicher Corona-bedingter schulischer Defizite ist ein derartiges Engagement wichtiger denn je. Das sieht auch Dr. Benedikt Rey, Geschäftsführer der Bildungschancen gGmbH, so: „Unabhängig von der Förderung der Stiftung Handschrift durch unsere Soziallotterie freiheit+ habe ich persönlich ein ausgeprägtes Faible für handschriftliches Schreiben. Natürlich arbeite und lebe auch ich in einer zunehmend digitalen Welt. Aber ich schätze es immer wieder aufs Neue, dem geschriebenen Wort durch meine Handschrift eine eigene Note zu verleihen. Und ich glaube, dass das individuelle Schriftbild eines jeden Einzelnen auch ein Spiegelbild seines persönlichen Charakters ist.“
Fakt ist: Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass durch die Entwicklung einer flüssigen und lesbaren Handschrift kognitive Prozesse im Gehirn angeregt werden. Gleichzeitig werden Kreativität und Individualität gefördert. Christian Boehringer, Vorsitzender des Stiftungsrates, erläutert die Intention der 2009 gegründeten Stiftung Handschrift: „Wer Lerninhalte mit der Hand mitschreibt, versteht und behält sie besser. Außerdem sind Menschen, die Konzepte handschriftlich entwickeln, innovativer. Beides gute Gründe, in einer Wissens- und Innovationsgesellschaft nicht zu akzeptieren, dass gut die Hälfte der Schülerinnen und Schüler nicht flüssig mit der Hand schreiben kann.“ Eine kürzlich veröffentlichte Studie der TU Dortmund kommt nach dem Distanz-Unterreicht der Covid-19-Zeit zu einem alarmierenden Ergebnis bei Viertklässlern: Die Lesekompetenz habe erheblich gelitten. Der Zusammenhang mit der Schlüsseldisziplin Schreiben, so der Geschäftsführer der Stiftung Handschrift, Raoul Kroehl, sei nicht von der Hand zu weisen.
Im Zuge der Preisverleihung kamen aber nicht nur Träger und Förderer der Stiftung zu Wort – auch die jungen Protagonisten zeigten in Video-Interviews eindrucksvoll, wie kreativ sie mit Stift und Papier umgehen. Überhaupt gab das virtuelle Format denjenigen, die im Mittelpunkt stehen, mehr Raum und Zeit: den Kindern und Jugendlichen. Online-Interviews mit den jungen Autorinnen und Autoren zeigten, wer „hinter“ den Briefen steht und wie die Ideen zum persönlichen Brief zum Thema „Freiheit“ entstanden waren. Sowohl die Feierstunde mit allen Grußworten und Experten-Stimmen wie auch die Videos sind auf der Homepage des „Tages der Handschrift“ anzusehen: https:/ www.tagderhandschrift.de
Die Stiftung Handschrift verfolgt das Ziel, gemeinsam mit den Schulen für die Schülerinnen und Schüler Schreibanlässe außerhalb des Unterrichts zu schaffen, die das Schreiben mit der Hand und die damit verbundenen Vorteile in den Fokus rücken. Sie unterstützt Schülerinnen und Schüler dabei, eine flüssige und lesbare Handschrift zu entwickeln, die ihnen helfen kann, mehr Spaß am Schreiben mit der Hand zu haben. Gleichzeitig soll ihnen bewusst werden, wie wichtig die Beherrschung der eigenen Handschrift auch für einen guten Schulabschluss ist. Aktuelle Umfragen belegen, dass Kinder und Jugendliche selbst sich eine bessere Handschrift wünschen. Sie brauchen dabei jedoch Unterstützung. Zu diesem Zweck hat die Stiftung Handschrift neben dem jährlichen Schreibwettbewerb das Projekt der Schreibpatinnen und -paten initiiert: Bereits in der Grundschule helfen ältere Schülerinnen und Schüler, begleitet von Tutorinnen und Tutoren, jüngeren Kindern, das Schreiben mit der Hand zu üben und zu verbessern.
Die Stiftung Handschrift unterstützt damit ein zentrales Anliegen des Hessischen Kultusministers Prof. Dr. R. Alexander Lorz: „Wer Schwierigkeiten hat, Fachtexte, Fremdwörter oder komplizierte Satzkonstruktionen zu verstehen, die über das Niveau der Umgangs- oder Alltagssprache hinausgehen, wird wichtige Lernchancen verpassen. Diese Kinder und Jugendlichen werden einen Großteil schriftsprachlich oder mündlich übermittelter Informationen im schulischen oder außerschulischen Lernumfeld gar nicht erst verstehen.“
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