(von Dieter Topp) Einen krachend betörend, verschwörenden Premierenabend erlebten die teils von weither angereisten, Steampunk gewandeten Coppelianer im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier (MiR).
Nach dem großen Erfolg von „Klein Zaches, genannt Zinnober“ kehrten „Coppelius“, die Berliner Band, die „Kammercore“ (Heavy Metall auf Schlagzeug, Kontrabass, Cello und Klarinette) spielt, zurück auf die Bühne des MiR. Gemeinsam mit dem Hamburger Komponisten-Kollektiv „Himmelfahrt Scores“ (Peter Häublein und Roman Vinuesa in Zusammenarbeit mit Jan Dvorák) und dem Dramatiker Ulf Schmidt schrieben sie exklusiv für das MiR den „Krabat“.
… Zwölf junge Männer lernen in einer Mühle nicht nur das Müllerhandwerk, sondern auch die dunkle Kunst der Magie. Der gestrenge Meister schürt eine kalte Atmosphäre, doch Waisenjunge „Krabat“ setzt sich durch und sein Talent als Zauberer lässt ihn bald in der Hierarchie nach oben steigen. Nun muss er sich entscheiden – für ein Leben als mächtiger Zauberer ohne Herz oder ein Leben als einfacher Mensch mit einem reinen Gewissen …
„Autor Otfried Preußler verarbeitete nicht nur eine sorbische Sage. Als Zeitzeuge des Zweiten Weltkrieges und des Nationalsozialismus beschreibt sein Roman auch, wie sich Menschen in einem System der Unterdrückung verändern können“, so Dramaturgin Anna Chernomordik.
Regisseur Manuel Schmitt hatte mit dem opulenten Steampunk-Bühnenbild von Julius Theodor Semmelmann und den Kostümen von Sophie Reble, zusammen mit einem sauberen, eindringlichen Ton von Jörg Debbert und Dietmar Schmidt, sowie illusionärem Licht- und Video von Patrick Fuchs und Judith Selenko die Welt der fantastisch-historischen sorbischen Sage in der düsteren Interpretation von Autor Preußler auf die voll genutzte Bühne des MiR „gezaubert“. Und eben darum ging es in „Krabat“, einer Parabel über Macht, Machtmissbrauch und Verantwortung.
Die Coppelius-Mitglieder agierten allesamt mit ihren Instrumenten ebenso als Darsteller und Sänger ausgezeichnet. Allumfassend wie der hämmernde Rhythmus des Stückes und das magische Auge des Meisters thronte Musiker Linus v.D. mit schwebendem Schlagzeug über der Mitte der Bühne. Sebastian Schiller agierte in der Titelrolle tongenau in der Verwandlung vom scheuen Lehrling zum erstarkenden Zaubermeister.
Hinzu kamen Sebastian Campione, der den Tonda sehr gut brachte, sowie Bele Krumberger als Kantorka mit ihrem klarem, gradlinigem (Orff)-Sopran. Martin Petschan überzeugte rundum als Darsteller und Sänger in der Rolle des Krabat-Freundes Juro umb so mehr, als ein Beinbruch ihn zwang, im Rollstuhl aufzutreten. Kurzfristig musste auch Corona bedingt die Rolle des Meisters umbesetzt werden und so war die stumme Darstellung von Regisseur Manuel Schmitt mit einer Stimme aus dem Off ein weiteres mystisches Highlight dieser Uraufführung.
Das 60Mann starke Orchester machte aus der Tiefe der Bühne unter Leitung von Peter Kattermann die Mischung zwischen Rock und klassischem Klanggebilde perfekt, teilweise à la Filmmusik das Geschehen emotional untermauernd, um sich dann wieder mit Elementen im Stil von Classic Rock durchzusetzen. Dabei spielte der – wie immer perfekte – Opernchor von Alexander Eberle eine intensiv unterstützende Rolle.
Ohne diese Adds wären die drögen und manchmal zu flachen Texte besonders im ersten Teil verloren gewesen. Es gelang jedoch dem MiR besonders im zweiten Teil eine mitreißende Rockoper, die Corona geschuldet, jetzt ihre lang ersehnte Uraufführung feierte.
Am Ende steht der zum Meisterschüler gereifte Krabat vor einer schweren Entscheidung – will er mit Hilfe des Meisters noch mächtiger werden oder will er ihn und sein System der Grausamkeit stürzen?
Als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und gelebtem Nationalsozialismus beschreibt Preußler in seinem Roman auch, wie sich Menschen in einem System der Unterdrückung verändern können. Unweigerlich kehrte in der Aufführung der Alltag des Kriegsgeschehens in der Ukraine wieder zurück.
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