Studienbericht des Fraunhofer IAO liefert Ideen, Erkenntnisse und Konzepte für eine hybride Arbeitswelt
Wie werden wir in der Post-Corona-Zeit arbeiten? Nach sechs Monaten intensiver Projektarbeit liefert der Studienbericht »Connected Work Innovation Hub« nun Antworten auf diese Frage. Das innovative Projektnetzwerk entwickelte gemeinsame Ideen und richtungsweisende Handlungsmodelle für eine neue, hybride Arbeitswelt.
In einem ambitionierten Vorhaben fanden im Rahmen des »Connected Work Innovation Hubs« Wissenschaft und gelebte Praxis zusammen, um sich in einem Zeitraum von sechs Monaten (von Juli 2021 bis Dezember 2021) den drängenden Fragen rund um das Thema Hybridität in der Arbeitswelt zu nähern. Auf Basis wissenschaftlicher Expertise und unternehmerischer Kompetenz haben die Forschenden des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO gemeinsam mit mehr als 230 Expertinnen und Experten aus über 20 renommierten Partnerunternehmen gemeinsame Ideen und Handlungsmodelle für die hybride Arbeitswelt entwickelt. Das Fraunhofer IAO ermöglichte damit einen organisationsübergreifenden Dialog über Erfahrungen, Erwartungen und Konzepte für die Gestaltung ebendieser neuen, hybriden Post-Corona-Arbeitswelt. Die Partner profitierten somit nicht nur voneinander, sondern erhielten in Themensprints einen Überblick zum Stand der Forschung sowie eine wissenschaftlich-basierte Darstellung gesicherter Erkenntnisse und noch offener Fragestellungen. Gleichzeitig steuerten sie selbst ihr geballtes Fachwissen und ihre umfassende Expertise bei. »Wir sind stolz darauf, was wir in sechs Monaten intensiver Projektarbeit gemeinsam mit unseren Projektpartnern erarbeitet haben. Der Bedarf, in kurzer Zeit Antworten auf die drängenden Fragen der Hybridität zu finden, war groß, schließlich verändert sich die Arbeitswelt aktuell tiefgreifender und rasanter als jemals zuvor. Die Zusammenarbeit war dabei gleich in mehrfacher Hinsicht besonders: Nicht nur die Ideen und Konzepte, die wir erarbeitet haben, sind innovativ, auch das Projektvorgehen hat es in dieser Form am Fraunhofer IAO noch nicht gegeben«, sagt Dr. Stefan Rief, Projektleiter und Leiter des Forschungsbereichs »Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung« am Fraunhofer IAO.
Innovative Projektarbeit liefert zukunftsweisende Handlungsempfehlungen
Das Projektnetzwerk brachte grundlegende Erkenntnisse zu den Themenfeldern Innovation, Führung, Mitarbeitendenbindung, Büroinfrastrukturen, und Leistungsmessung in der hybriden Arbeitswelt hervor. Das umfassende Wissen, die zahlreichen Erfahrungen und die vorhandenen Ressourcen zu bündeln, um die Wirkungszusammenhänge sowie Erfolgsformeln und -modelle für die Gestaltung der Hybridität gemeinschaftlich vorauszudenken, ist gleichermaßen sinnvoll wie nachhaltig, schließlich stehen nahezu alle Organisationen vor derselben Aufgabe. Zusätzlich zu der Verknüpfung von Wissenschaft und Praxis im Rahmen der Sprints hat das Forschungsteam in einer empirischen Befragung weitere wichtige Erkenntnisse gewonnen, die die Unternehmen bei der zukünftigen Gestaltung der Arbeitswelt in ihrer Organisation berücksichtigen sollten. Gemeinsam wurden modellhafte Lösungsansätze, sogenannte Blueprints für die neuartigen Herausforderungen der Hybridität entwickelt. Sie dienen als zukunftsweisende Handlungsempfehlungen aus einer Vielzahl von Perspektiven.
Inspiration und Weiterbildung statt Pendeln: gewonnene Zeit als Inspirationszeit nutzen
Was können Arbeitnehmende dann mit der neu gewonnenen Zeit anfangen, wenn dank Homeoffice kein kraft- und zeitraubendes Pendeln mehr nötig ist? Einer der Blueprints beschäftigte sich mit der Beantwortung ebendieser Frage. Denn der Wegfall der Pendelzeit wirkt sich nicht nur positiv auf die Klimabilanz aus, sondern ermöglicht auch Zeit und Raum für andere Aktivitäten. Ein Szenario, das im Rahmen des Projekts entwickelt wurde, lautet: Die gewonnene Zeit kann anteilig für die Teilnahme an inspirierenden und weiterbildenden virtuellen Angeboten und Formaten genutzt werden. Dies stärkt gleichzeitig das Innovationsgeschehen in einem Unternehmen, welches in der Hybridität eine Herausforderung darstellt, da die für Ideen und Inspiration wichtigen zufälligen Begegnungen wegfallen. Der empirische Studienteil des »Connected Work Innovation Hub«-Berichts bestätigt diese Idee: Rund 40 Prozent der befragten Mitarbeitenden möchten die gewonnene Zeit für Weiterbildung und Inspiration nutzen.
Büroinfrastruktur als Schlüsselrolle für erfolgreiche hybride Zusammenarbeit
Wie kann es gelingen, in der hybriden Arbeitswelt informelle, spontane und ungeplante Begegnungen und Kommunikation in ausreichendem Maße sicherzustellen, auch wenn die Belegschaften räumlich stark verteilt sind? Das Projektnetzwerk weist der Organisation des Büros bzw. des gemeinsam genutzten Raums hierbei eine Schlüsselrolle zu. Buchungssysteme für Arbeitsplätze und -räume erfüllen dort u. a. »soziale« Funktionalitäten, die für eine hohe Begegnungswahrscheinlichkeit innerhalb von Teams, aber auch für fach- und funktionsübergreifende Begegnungen sorgen. So wird das Büro, ausgestattet mit diesem digitalen Layer, zum Ort spontaner Begegnungen und eines informellen Austauschs. In hybriden Besprechungsräumen kann eine möglichst friktionsfreie hybride Zusammenarbeit zwischen Gruppen in Präsenz und verteilten Teilnehmenden oder Beschäftigten, die sich aus dem Homeoffice oder von einem Arbeitsort im Ausland zuschalten, gelingen. Die empirische Befragung ergab, dass Arbeitnehmende, nicht nur von zu Hause oder an unterschiedlichen Orten arbeiten, sondern diese mobilen Arbeitsformen auch auf das Ausland ausweiten möchten, um ihrem Wunsch nach individueller Flexibilität nachzukommen. Das Thema mobiles Arbeiten aus dem Ausland wird sich daher zweifelsfrei etablieren, steht aber noch vor rechtlichen Herausforderungen. Gemeinsam mit Rechtsexpertinnen und -experten wurden daher die zusammenhängenden rechtlichen Rahmenbedingungen herausgearbeitet und ein pragmatischer betrieblicher Regelungsansatz für maximal 30 Tage dieser Arbeitsform im EU-Ausland als Handreichung konzipiert.
Neue Führungskompetenzen sind gefordert
Auch Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen bei der Verlagerung der Arbeit in eine hybride Welt. Sie seien laut des Forschungsteams gut beraten, wenn sie auch im hybriden Kontext die eigene Führungspräsenz entwickeln, indem sie nicht nur dem einzelnen Mitarbeitenden sowie dem ganzen Team mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung geben, sondern gleichzeitig auch mehr Verantwortung abgeben und Selbst- und Teamverantwortung einfordern. Besonders relevant wird die Kompetenz, Beziehungen positiv gestalten zu können. Dazu gehört u. a., Vertrauen zu schenken und zu erhalten sowie die Fähigkeit, über alle medialen Kanäle aktiv zu kommunizieren und eine zufriedenstellende Verständigung zu erreichen.
Als Fazit lässt sich über alle Themenfelder festhalten, dass hybride Arbeitsformen in ihrer Ausgestaltung zwar komplex sind, aber im Vergleich zu rein virtuellen oder rein präsenzorientierten Modellen eher das favorisierte Arbeitsmodell für die nächsten post-pandemischen Jahre darstellen dürften. Auf alle Unternehmen kommt die gewaltige Herausforderung zu, die Transformation in eine hybride Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten.
In sechs Sprints zur Arbeitswelt der Zukunft
Methodisch hat das Projekt gezeigt, dass in kurzer Zeit auch in der reinen Virtualität viel Wissen geteilt, Erfahrungen ausgetauscht und Netzwerke geknüpft werden können. In der offenen und vertrauensvollen Atmosphäre einer Diskussions- und Entwicklungsplattform entwickelten die Teilnehmenden unter der Leitung des Fraunhofer IAO pragmatische Lösungsansätze und identifizierten relevante Erkenntnisse und Entwicklungsbedarfe. Dazu bearbeiteten sie die insgesamt sechs Themenkomplexe im Rahmen von jeweils vierwöchigen Sprints. Das Projekt in sogenannte »Miniprojekte« herunterzubrechen und zu bearbeiten hat sich dabei bewährt, liefert diese anwendungsnahe, wie zeitgleich co-kreative Methodik doch schnelle Ergebnisse und zugleich neue Ansätze. Die Teilnehmenden des Projekts haben sich damit selbst in einem Experimentierraum bewegt. Die hierdurch gewonnenen, methodisch-strukturellen Erkenntnisse können als Vorbild für künftige Großprojekte dienen.
Phase zwei steht in den Startlöchern
Im Herbst soll die zweite Projektphase starten. Schließlich bringt die Hybridität eine komplexe und dynamische Arbeitswelt mit sich und es entstehen kontinuierlich neue Fragestellungen, welchen sich das Projektnetzwerk widmen wird. Mittels der Szenariotechnik wird der Blick in die Zukunft der nächsten fünf Jahren gelegt und gemeinsam mit den Partnerunternehmen konsistente Zukunftsszenarien entwickelt sowie deren Folgen analysiert. Daneben befasst sich das Team mit aufkommenden Trends und damit verbundenen Gestaltungsaufgaben, um neue Blueprints zu entwickeln.
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