ABiD sieht Mängel bei Ausbildung der Beamten und Aufklärung von Vorfällen
Von Mannheim bis Oer-Erkenschwick: In jüngster Vergangenheit haben vermehrte Übergriffe von Polizisten für Schlagzeilen gesorgt, die im Dienst übermäßige Gewalt anwendeten und bei Festnahmen mit Brutalität vorgegangen sind. „Dass es sich bei den Opfern zumeist um psychisch oder geistig behinderte Menschen handelte, machen diese Vorfälle moralisch besonders verwerflich“, erklärt der Sozialberater des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland e.V. (ABiD), Dennis Riehle. „Personen, die wegen einer seelischen Beeinträchtigung verhaltensauffällig wurden und deshalb von Beamten ruhiggestellt werden sollten, haben den Einsatz der Polizei zum wiederholten Male nicht überlebt. Das ist ein Armutszeugnis für einen demokratischen Rechtsstaat, in dem gerade Menschen mit Behinderung einen ausgewiesenen Schutz verdienen und auch von der Staatsgewalt nicht mit übertriebener Härte behandelt werden dürfen“, zeigt sich Riehle angesichts der Bilder mehrerer gescheiterter Überwältigungsversuche schockiert: „Dass hier etwas gründlich schiefgelaufen ist, sollten auch die zuständigen Innenminister einräumen und sich nicht aus falsch verstandener Loyalität vor Beamte stellen, die schwere Fehler gemacht haben“.
Riehle bezeichnet diese Vorgänge als „skandalös“ und fordert, dass die Ausbildung von Polizisten dahingehend verändert und angepasst wird: „Sie brauchen eine bessere Schulung im Umgang mit außergewöhnlichen Stresssituationen und sollten verstärkt zu einem adäquaten Verhalten gegenüber Personen mit psychischen Erkrankungen sensibilisiert werden. Da kann es nicht sein, dass man sich nicht anders zu helfen weiß, als diese Betroffenen in einer zweifelsohne schwierigen Festnahmesituation auf den Boden zu werfen, das Knie in den Rücken zu drücken und auf die wehrlose Person einzuschlagen. Sie sind keine Prügelknaben und dürfen von Polizisten nicht genutzt werden, um angestauten Frust loszulassen“, meint Riehle, der vorschlägt: „In der Qualifikation für den Beruf müssen angehende Beamte selbst sehr viel besser auf Konfliktfähigkeit geprüft werden und ein wiederkehrendes Training durchlaufen, in dem möglichst realistisch geprobt wird, wie man beim Aufeinandertreffen mit einem sich seelisch im Ausnahmezustand befindlichen Gegenüber derart beruhigend und anti-aggressiv verfährt, dass ein Gewalteinsatz obsolet wird“.
Nach Auffassung Riehles, der selbst seit vielen Jahren an einer psychischen Beeinträchtigung leidet und sich über lange Zeit in einer Menschenrechtsorganisation intensiv mit dem Thema „Polizeigewalt“ befasst hat, ist es Aufgabe der Ausbilder, wirklichkeitsnahe Übungsmomente zu schaffen und die Begegnung zwischen Polizisten und seelisch kranken Menschen in der Weiterbildung verpflichtend zu machen: „Nur, wenn Beamte diese Personen kennen und verstehen lernen, werden sie in einem Ernstfall ihnen gegenüber angemessen agieren. Maßnahmen zur Prävention von Polizeigewalt sollten daher stets den Besuch in einer Psychiatrie umfassen, damit Polizisten die Lebenswirklichkeit seelisch Kranker erfassen können. Und es muss deutlich sein: Wenn eine Person bei einer polizeilichen Maßnahmen von sich aus oder offensichtlich erkennbar eine Behinderung aufweist, müssen Beamte ein spezielles Regelwerk an die Hand bekommen, welches auch die Maßgabe umfasst, dass bei artikulierten Schmerzen oder Herz-Kreislauf-Problemen des Betroffenen nie mit Druck oder gar dem Fuß im Nacken gehandelt werden darf. Polizisten sollten öfter reflektieren, ob ihr Handeln sachgerecht ist und inwieweit sie es gegenüber sich selbst anwenden würden. Daneben braucht es unabhängige Beschwerdestellen für Opfer von Polizeigewalt, Schwerpunktstaatsanwaltschaften und interne Vertrauenspersonen, die eine lückenlose Aufklärung ermöglichen. Denn bis heute werden Polizisten als Täter nur äußerst selten angeklagt und erhalten meist überdurchschnittlich milde Strafen. Dabei sind sie als Amtsträger zur besonderen Einhaltung von Recht und Gesetz verpflichtet. Sie sollten ein würdevolles Vorbild für die Gesellschaft sein, dahin müssen wir zurückkommen“.
Die kostenlose Sozialberatung des Allgemeinen Behindertenverbandes ist bundesweit unter Mail: Soziales@ABiD-ev.de erreichbar.
Pressekontaktdaten:
Dennis Riehle Pressesprecher,
Sozialberater Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland e.V.
Friedrichstraße 95
10117 Berlin
Vertreten durch:
Marcus Graubner
Kontakt: Telefon: +49 (0) 30 27 59 34 29
Telefax: +49 (0) 30 27 59 34 30
E-Mail: soziales@abid-ev.de
Web: https://www.abid-ev.de/