ABiD: Diskriminierung psychisch kranker Menschen weiterhin Alltag
Menschen mit einer psychischen Erkrankung erfahren in Deutschland weiterhin Diskriminierung und sind Vorurteilen ausgesetzt. Diese Auffassung vertritt der Sozialberater des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland (ABiD), Dennis Riehle: „Es ist keine Seltenheit, dass Betroffene mit ihrem Leiden nicht einmal in der eigenen Familie ernstgenommen werden. Auch bei Ärzten, Therapeuten und gegenüber Behörden müssen sie immer wieder um ihre Rechte kämpfen – nicht zuletzt, wenn es um die Anerkennung der (Schwer-)Behinderteneigenschaft oder um Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsplatz und in der Bildung geht. Gleichermaßen sind diejenigen, die eine psychiatrische Diagnose erhalten, mit dieser Zuschreibung über lange Zeit stigmatisiert“, so Riehle. „Dann fällt es sogar schwer, körperliche Beschwerden vermitteln zu können, weil man auf die psychische Problematik reduziert wird und somatische Symptome als Ausdruck der Seele missinterpretiert werden. Aus dieser Ecke kommt man kaum noch heraus“, meint der 37-Jährige, der selbst an einer Zwangs-, Depressions- und psychotischen Erkrankung leidet. „Die Sozialberatung des ABiD erreichen entsprechend viele Mails von Menschen, die sich gebrandmarkt fühlen und um Ansehen in der Gesellschaft ringen müssen. Diese Ausgrenzung verschlimmert die Situation der Betroffenen weiter, weil sie von Selbstzweifeln geplagt werden und häufig ausbrennen“.
Riehle berichtet von verschiedenen Beispielen: „Ein Schüler mit einem Autismus schrieb mir, dass er von seinen Klassenkameraden regelmäßig als ‚Psycho‘ beschimpft wird und nicht einmal die Lehrer greifen ein. Oder ein Arbeitnehmer, über den die Kollegen in der Pause wahrnehmbar tuscheln, dass er wegen seiner sozialen Phobie ‚verrückt‘ sei. Dabei spielen Medien und Öffentlichkeit eine große Rolle, denn uns wird vermittelt, dass psychisch kranke Menschen zu Amokläufern oder Serientätern werden können – ohne dabei zu erwähnen, dass die überwiegende Mehrheit friedliebend ist und keine Gefahr darstellt, im Gegenteil. Viele Betroffene sind überdurchschnittlich intelligent und haben schon in der Geschichte wegweisende Erfindungen, Reformen und Verdienste auf den Weg gebracht, ohne die wir heute aufgeschmissen wären. Das Bild des ‚durchgedrehten‘ Seelenkranken, der seine Umwelt tyrannisiert, hält sich dennoch beständig. Und sogar in den psychiatrischen Kliniken und in Werkstätten für behinderte Menschen erfahren sie Benachteiligung, exemplarisch ist die bis heute in bestimmten Fällen noch immer angewendete Zwangsmedikation zu nennen, aber auch die Zuweisung von intellektuell besonders niedrigen Aufgaben, über die es jedoch von Betroffenen zunehmende Beschwerden gibt“, meint Riehle – und fügt an: „Nicht jeder lässt sich diese Zustände gefallen – und es ist erfreulich, dass Personen mit einer seelischen Behinderung in wachsendem Maß für ihre Selbstbestimmung und Souveränität eintreten“.
Zudem sei es mühsam, sich ständig zu rechtfertigen und die geistige Klarheit zu beweisen: „Eine psychische Behinderung sieht man nicht. Und doch exkludiert sie deutlich schlimmer als eine körperliche Beeinträchtigung. Aufklärung und Information sind so nötiger denn je. Immerhin weiß man doch, dass nahezu jeder vierte Bundesbürger innerhalb seines Lebens eine seelische Erkrankung durchlaufen wird. Und dann möchten wir alle respektvoll und wertgeschätzt behandelt werden. Dieser Tatsache sollten wir uns gerade dann bewusst sein, wenn wir mit dem Finger auf Andere zeigen“, so Dennis Riehle abschließend.
Die kostenlose Sozialberatung des ABiD e.V. ist bundesweit unter Mail: Soziales@ABiD-ev.de erreichbar.
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