Am 28. Februar ist der internationale Tag der Seltenen Erkrankungen
Der Rare Disease Day oder auch der „Tag der Seltenen Erkrankungen“ macht auf Menschen mit seltenen Erkrankungen aufmerksam. Davon gibt es leider mehr als 6.000 verschiedene. Eine Krankheit wird als selten bezeichnet, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen daran erkrankt sind. In Deutschland leben rund vier Millionen Menschen in Deutschland an einer seltenen Erkrankung.
Paul Seyfarth, 25, lebt seit seiner Geburt mit dem „Kongenitalem Hyperinsulinismus“, eine seltene Erkrankung, bei der es zu Störungen der Insulinfreisetzung kommt. In Folge besteht bereits im Kindesalter eine bleibende Neigung zur Unterzuckerung, wodurch das kindliche Gehirn in seiner Entwicklung stark geschädigt werden kann.
Dank früher Diagnostik und immer besserer Therapiemöglichkeiten hat Paul seine Krankheit im Griff und sich entschieden, seine Erfahrungen in der Selbsthilfe zu teilen: In dem Verein „Kongenitaler Hyperinsulinismus e.V.“ vertritt er die Junge Selbsthilfe, die er gerade aufbaut.
Wie bist Du zur Selbsthilfe gekommen?
Meine Mutter hat damals den Verein zusammen mit anderen betroffenen Eltern vor rund 10 Jahren gegründet. Dadurch bin ich als kleines Kind fast von selbst in die Junge Selbsthilfe reingewachsen.
Was gefällt Dir an der Jungen Selbsthilfe?
Der Austausch mit Gleichgesinnten! Unsere Treffen bewegen mich immer wieder: Man trifft Leute, die Gleiches erlebt haben, weswegen wir uns sofort auf einer anderen Ebene treffen. Ich fühle mich mit ihnen so verbunden, dass ich die Arbeit einer Selbsthilfegruppe gern übernehme. Schon der Austausch der Erlebnisse und Erfahrungen mit anderen ist eine große Hilfe: Es schafft ein tiefes Gefühl der Verbundenheit! Und das wiederum ist das beste Mittel gegen Ausgrenzung.
Was ist euer erfolgreichstes Angebot für junge Erwachsene?
Der absolute Hit ist unser Jahrestreffen, zu dem wir meistens in Berlin zusammenkommen. Gerade weil unser Verein so klein ist, weil unsere Erkrankung so selten ist, kann man das eigentlich gar nicht mehr Vereinstreffen nennen. Es ist ein richtiges Familientreffen mit entfernten Verwandten, auf dem wir uns jährlich wiedersehen.
Wie sieht die Junge Selbsthilfe bei Dir konkret aus?
Wir sind neu und im Aufbau, denn zum ersten Mal seit Vereinsgründung haben wir überhaupt junge Erwachsene, die es geschafft haben in dieses Alter zu kommen und die wie ich aktiv etwas zur Jungen Selbsthilfe beitragen wollen und können.
Auf dem Treffen hat jeder von uns aus seinem Leben mit der Krankheit erzählt. Das sollte nicht nur die eigene Motivation zur Selbsthilfe steigern, sondern dient vor allem den Eltern, die zu den Veranstaltungen mit kleinen Kindern kommen und darauf hoffen, auch irgendwann einmal Kinder in dem Alter zu haben.
Vorher hatten wir auf den Jahrestagungen ein zusätzliches Angebot für die Jugendlichen, jetzt aber gibt es ein richtiges Programm speziell für junge Erwachsene. Dafür laden wir zum Beispiel Psychologen und Expert:innen ein, die Themen wie Arbeit, Beruf mit Behinderungen spezifisch für uns aufbereiten.
Welche Angebote machst Du für die Junge Selbsthilfe?
Das Wichtigste ist immer der persönliche Kontakt. Bei so einer sehr seltenen Erkrankung mit 10 bis 20 Jugendlichen ist es natürlich einfach, die Leute einzeln anzuschreiben und zu fragen, wie es so läuft, mal zu gucken, was sie so treiben. Schwieriger wird es, die Leute zu motivieren, sich zu treffen. Deswegen hole ich sie dort ab, wo sie sich bewegen. Ich spiele zum Beispiel gerne Videospiele und habe darüber auch den einen oder anderen für die Selbsthilfe gewinnen können. Ich habe Leute angeschrieben und gefragt: „Hey, wie witzig, du spielst ja das gleiche Spiel, dann lass uns doch heute Abend einfach mal eine Runde zocken“, – ich möchte behaupten, dass auch das schon eine Form der Selbsthilfe ist. Man muss sie ja nicht zu Events zwingen. Wir stehen zwischendrin mit unserer WhatsApp-Gruppe und durch einen Discord-Kanal in Verbindung und ich richte Zoommeetings für uns aus.
Außerdem arbeite ich als Transitionscoach, eine Ausbildung des Kindernetzwerk, die sehr gut ankommt und die ich oft anwenden kann.
Sie ist besonders hilfreich, wenn es um Probleme in der Pubertät geht: „Meine Eltern hängen so auf mir, wie kann ich mich davon freier machen? Wie kann ich meine Arzttermine selbst koordinieren?“ Viele solcher Fragen kenne ich aus der eigenen Erfahrung und kann dank der Ausbildung auch fachliche Hilfe leisten.
Wie sieht die Zukunft der Jungen Selbsthilfe für Dich aus?
Für die Zukunft würde ich mir zwar wünschen, dass sich junge Betroffene nicht nur um ihre eigene Erkrankung kümmern, sondern auch für Lösungen kämpfen, die rund um eine seltene Erkrankung gebraucht werden – zum Beispiel für eine bessere medizinische Versorgung. Dafür möchte ich gern den Weg für die, die nach mir kommen, bereiten. Aber ein politisches Interesse kann man leider nicht bei allen voraussetzen, vor allem nicht, wenn die Betroffenen erst einmal um Selbsterhaltung, um das Überleben kämpfen.
Wenn ich mit meiner Arbeit einem anderen Menschen helfen kann, damit es ihm besser geht, dann ist das der wichtigste Schritt der Jungen Selbsthilfe.
Das Interview führte das Kindernetzwerk, ein Dachverband der Selbsthilfe von Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen mit seltenen und chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Das Interview wurde anlässlich des internationalen Aktionstags der Seltenen Erkrankungen geführt, der seit 2008 existiert und für Chancengleichheit in Diagnostik und Therapie wirbt. Weltweit setzen sich Selbsthilfevereine und Patientenorganisationen für eine bessere medizinische Versorgung für die sogenannten „Waisen der Medizin“ ein, da es für viele der diagnostizierten seltenen Krankheiten noch keine Medikamente gibt.
Weitere Informationen unter: https://www.kindernetzwerk.de
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