Mit Risikokapital an die Spitze der Life-Sciences
Autor: Rainer Westermann, Chairman, Life Sciences Acceleration Alliance
Junge, innovative Start-up-Unternehmen setzen Ideen und Erkenntnisse aus der biowissenschaftlichen Forschung in neue Behandlungen und Medikamente um. Damit diese erfolgreich zur Marktreife gebracht werden, benötigen sie jedoch wichtige Ressourcen – ausreichend Kapital, Know-how, Zeit und motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Gerade im Frühstadium sind die Risiken des Scheiterns aber enorm – neun von zehn Unternehmen schaffen es nicht. Deshalb braucht es Risikokapital, also Wagniskapitalgeber (Venture-Capital-Fonds, VCs), die vielversprechenden Start-ups mit Kapital und Knowhow bei der Entwicklung helfen. Damit das Modell aber dauerhaft funktioniert, muss der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens die Verluste der anderen ausgleichen.
Aktuell plant die EU-Kommission in Brüssel, die allgemeinen EU-Rechtsvorschriften für Humanarzneimittel zu bewerten und zu überarbeiten. Ihr Ziel ist es, in der EU ein zukunfts- und krisenfestes Arzneimittel-Regulierungssystem zu etablieren. Dieses sinnvolle und komplexe Vorhaben hat jedoch viele, zum Teil herausfordernde Ziele. Daher gilt es, durchdacht zu Handeln. Nur so kann die EU-Kommission vermeiden, dass sich einzelne Maßnahmen negativ auf das fragile Ökosystem der Innovationen im Life-Sciences-Sektor auswirken.
Um ein besseres Verständnis zu vermitteln, wie dieses Ökosystem funktioniert, hat die Life Sciences Acceleration Alliance (e.V.) eine Studie beauftragt zur „Bedeutung von Venture-Capital für das Life-Sciences-Ökosystem in Europa“. Obwohl Europa noch immer führend ist im Bereich der Erforschung neuer Life-Sciences-Lösungen, fällt unser Kontinent rapide zurück. So investierten US-amerikanische Biotechnologieunternehmen 2020 etwa elfmal so viel Geld in ihre Forschung und Entwicklung wie europäische Unternehmen.
Zudem sammeln Venture-Capital-Firmen in Europa drei- bis viermal weniger Kapital ein als in den USA. Doch ohne das Wagniskapital können sich innovative Lösungen im Life-Sciences-Ökosystem nicht entwickeln. Hinzu kommt, dass VC-Firmen in Europa immer mehr mit China konkurrieren, denn auch dort steht inzwischen mehr Kapital zur Verfügung als in Europa: Je Finanzierungsrunde durchschnittlich zwei- bis dreimal so viel.
Diese schwächere Kapitalausstattung in der Frühphase (Early Stage) europäischer Life-Sciences-Unternehmen führt immer häufiger zum sogenannten Death-Valley-Effekt. Das heißt, Unternehmen fehlt das nötige Kapital und sie trocknen finanziell aus.
Aus der Not fliehen sie in Regionen, in denen Kapital leichter zu beschaffen ist. Wo die Regulierungen es einfacher und billiger machen, Innovationen auf den Markt zu bringen – und das auch noch häufig zu besseren Preisen als in Europa. Das zeigt sich besonders deutlich zwischen 2017 und 2021. In diesem Zeitraum haben Unternehmen in den USA doppelt so viele neue Wirkstoff-Moleküle auf den Markt gebracht als in Europa. Die Stärke der Biotech-Unternehmen in den USA zeigt sich auch in der Zahl der Patente. Fast 12.000 neue Patente wurden 2020 in den USA erteilt, gegenüber rund 6.000 in Europa. Von diesen 6.000 Patenten gingen 2.600 an US-Unternehmen.
Das muss aber längst nicht so bleiben, denn das aktuelle Bewerten und Überarbeiten der EU-Pharma-Gesetzgebung birgt die große Chance, Europas Führungsrolle in der Forschung und Entwicklung im Gesundheitsbereich zurückzugewinnen. Nicht zuletzt, um sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten in Europa dauerhaften Zugang zu neuesten Therapien und Wirkstoffen haben.
Basierend auf den Studienergebnissen sind es drei politische Stellschrauben, die besonders wichtig sind für ein stärkeres Innovationsökosystem in Europa:
-Ein starker Patentschutz und Datenschutz zum Absichern von Risikokapital-Investitionen in innovative Lösungen.
-Eine angemessene Wertschätzung und Bezahlung innovativer Medikamente zum Nutzen der Patienten.
-Verstärktes Fördern von Innovationen im Frühstadium des Life-Sciences-Ökosystems. Abbauen regulatorischer Hürden, um die Umsetzung akademischer Durchbrüche aus der Forschung in innovative kommerzielle Anwendungen für Patienten in Europa voranzutreiben.
Über die Life Science Acceleration Alliance e.V. (LSAA)
Die Life Science Acceleration Alliance e.V. (LSAA) hat sich Aufklärung und Vermittlung von Wissen zur Risikokapitalfinanzierung im Life Sciences Sektor in Europa zur Aufgabe gemacht. LSAA will das unternehmerische Umfeld für junge und innovative Unternehmen im Bereich Life-Sciences in Europa gezielt verbessern und einen verlässlichen Rechtsrahmen für entsprechende Investitionen und Risikokapitalgeber schaffen.
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