Ein Industrie- und Landwirtschaftsgebiet in Fellbach soll Modell-Quartier im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 2027 (IBA’27) werden. Fraunhofer-Forschende bringen ihr Know-how zur ultraeffizienten Nutzung von Stoffströmen und Ressourcen ein. Das Projekt wird bei der 1. Gebietskonferenz am 13. Februar den Gewerbetreibenden und Grundstückseigentümern in Fellbach vorgestellt, um sie für eine aktive Beteiligung zu gewinnen.
Auf den ersten Blick haben Landwirtschaftsbetriebe, produzierende Unternehmen und Anwohnende nur wenig gemeinsame Interessen. »Doch wenn es um die Verteilung der Ressourcen und deren möglichst effiziente Nutzung geht, können sie voneinander auf vielfältige Weise profitieren«, davon ist der Fraunhofer IPA-Ingenieur David Koch überzeugt. »Bisher gibt es jedoch kaum ganzheitliche Konzepte, welche die Bedürfnisse aller Akteure berücksichtigen. Doch solche Konzepte brauchen wir dringend, wenn wir Städte resilienter machen wollen. Dann müssen Wohnen, Arbeiten und die Produktion von Nahrungsmitteln näher zusammenrücken.«
In Fellbach sind die Voraussetzungen dafür ideal: Das größte Industriegebiet der Stadt grenzt direkt an ein Wohngebiet, direkt daneben befinden sich Felder, auf denen Obst und Gemüse angebaut wird. Für die Internationale Bauausstellung IBA’27 soll das Areal mit einer Fläche von 110 Hektar zukunftsfähig aufgestellt und in ein Modell-Quartier verwandelt werden. Dafür kooperiert die Stadt mit unterschiedlichen Partnern, beispielsweise mit der Hochschule für Technik Stuttgart und nun auch mit den beiden Stuttgarter Fraunhofer-Instituten, dem Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und dem Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA. Für die Forschenden eine einmalige Gelegenheit, Synergie-Potenziale aufzuspüren: »Denkbar wäre beispielsweise, dass Abwärme aus der Industrie für das Heizen von Gewächshäusern oder Wohngebäuden genutzt wird oder dass Abfallstoffe aus der Produktion und Landwirtschaft von Unternehmen in der Nachbarschaft genutzt werden«, erläutert Koch.
Mit der »Potenzialstudie für Ultraeffizienz-Maßnahmen bei der Realisierung des IBA’27-Quartiers Fellbach« will das interdisziplinäre Fraunhofer-Team gemeinsam mit der Stadt Fellbach und der IBA’27 jetzt den Grundstein legen für eine künftige ultraeffiziente Nutzung von Ressourcen in gemischten Quartieren: Durch geschicktes Management soll dabei die Effizienz von Energieverbrauch, Stoffströmen und Infrastruktur sowie die ökologische Effektivität gesteigert werden. Unter dem Motto »Agriculture meets Manufacturing« wollen die Forschenden den ökologischen Fußabdruck sowohl der Wohneinheiten als auch der landwirtschaftlichen und produzierenden Betriebe verringern und die Lebensqualität aller Beteiligten steigern. Das Projekt wird vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg mit Mitteln in Höhe von rund 177 300 Euro gefördert.
Von der Fabrik- zur Quartierplanung
Entwickelt wurde das Ultraeffizienz-Konzept zunächst für Fabriken, um den Einsatz von Personal, Material, Energie und Kapital ganzheitlich zu optimieren. Dafür sind die fünf Handlungsfelder der Ultraeffizienz betrachtet worden: Energie, Material, Emissionen, Mensch und Organisation. In einem weiteren Forschungsprojekt haben die Ingenieurinnen und Ingenieure die Idee auf ein Industriegebiet übertragen. Um auch dort die Effizienz der Ressourcennutzung zu verbessern, wurde ein Demonstrator entwickelt. Mit diesem lassen sich Veränderungen in den Handlungsfeldern für jeden Beteiligten am Standort ermitteln, um so eine Entscheidungsgrundlage für gemeinsame Investitionsentscheidungen zu schaffen. Durch die Expertise der drei Stuttgarter Fraunhofer-Institute IAO, IGB und IPA ist gemeinsam mit der Stadt Rheinfelden das Konzept für das weltweit erste stadtnahe ultraeffiziente Industriegebiet entstanden. Mit dem Demonstrator gelang es, die organisationsübergreifende Umsetzung von Ultraeffizienzmaßnahmen vor Ort zu unterstützen. In Fellbach wollen die Forschenden jetzt noch einen Schritt weitergehen: »Die Kombination von Industrie, Landwirtschaft und Wohngebieten, die wir jetzt untersuchen, ist nochmal eine Größenordnung komplexer und anspruchsvoller«, betont Koch. Bei allen Simulationen müssen die fünf Handlungsfelder der Ultraeffizienz berücksichtigt werden. Dies sei an sich schon aufwendig. Hinzu kämen aber auch noch Wechselwirkungen, betont Koch: »Ultraeffiziente Lösungen müssen immer die Interessen aller Beteiligten miteinbeziehen: Eine Verbesserung in einem Feld, soll nicht zu zusätzlichen Belastungen in einem anderen führen. Eine der großen Herausforderungen in dem Projekt wird es sein, diese hochkomplexen Zusammenhänge zu verstehen und in der Praxis zu untersuchen.«
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