Im Kern geht es um eine neue Führungskultur
Autor: Reinhard F. Leiter, Executive Coach München
Schwieriger als nach vorn zu kommen, ist es, vorne zu bleiben. Auf diese Formel lässt sich das moderne Management-Credo eindampfen. Denn der Auftrag an jede Führungskraft lautet: aus einem guten Unternehmen ein noch besseres zu machen. Dazu braucht es auf der Management-Seite Integrität, Charisma, Entscheidungsfreude, Elastizität, Agilität und Resilienz.
Aber das allein garantiert noch lange nicht, dass Organisationen Krisen überleben. Genauso wichtig ist das Wissen der Führungskräfte um die Befindlichkeiten, Wünsche, Bedürfnisse und Herausforderungen ihrer Stakeholder und die Fähigkeit, Lösungen zu erarbeiten, umzusetzen und damit Benefits zu schaffen. Gleichzeitig müssen sie dem Druck von außen standhalten und eine Überforderung der Mitarbeiter vermeiden und deren Wohlergehen im Blick haben. Der Aufbau und die Pflege einer Kultur der Exzellenz sichert dabei den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. Eine „erlaubende Kultur“ fördert die Auseinandersetzung mit Exzellenz im Unternehmen und bildet die Basis für eine freundliche, offene Streit- und Konfliktkultur, in der das Argument und nicht die Hierarchie zählt.
Von der Command Control-Kultur zur Coaching-Kultur
Potenzialorientiertes Coaching hilft Führungskräften, eine falsche Selbstwahrnehmung zu überwinden, die einer erfolgreichen Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen im Wege steht. Es begleitet den Coachee dabei, eigene Fehler und Unzulänglichkeiten zu erkennen, um wieder eigenverantwortlich handeln zu können und gelassen mit den zunehmenden Stresssituationen in Krisenzeiten umzugehen. Es bildet die Leitplanken, damit er sein Potenzial besser nutzen und seine gesetzten Ziele erreichen kann. Um es mit Abraham Maslow zu sagen: „What is necessary to change a person is to change the awareness of himself. “ Diese Selbsterkenntnis ist umso wichtiger, als es die vornehmste und wirkungsvollste Aufgabe von Führung ist, die neuen Verhaltensweisen vorzuleben. Walk the Talk – Führungskräfte praktizieren, was sie predigen.
Ein einfühlsamer und empathischer Umgang mit den Coachees kann diese auch zu mehr Einfühlungsvermögen gegenüber Kunden, ihren Mitarbeitern und anderen Menschen animieren. Auf diese Weise entwickelt sich Top-Down eine gute Performance. Damit Coaching für das Topmanagement zu einer Kernkompetenz wird, bedarf es allerdings eines Wandels von einer Command-and-Control-Kultur hin zu einer Coaching-Kultur. Statt Direktiven zu befolgen, wird der Mitarbeiter darin unterstützt, eine eigene Perspektive zu entwickeln. So lernen Mitarbeiter, sich an ein sich ständig veränderndes Umfeld anzupassen. Und nur so entstehen Innovationskraft und größere Leistungsbereitschaft.
Coaching Clubs – eine großartige innovative Idee
Um nach definierten Anforderungskriterien diejenigen Manager im Unternehmen auszuwählen, die zu Coaches ausgebildet werden sollen, benötigen Führungskräfte vor allem die entsprechende Methodenkompetenz im Lernen und Lehren. Eine innovative Idee, das Coaching im Unternehmen zu verankern, ist der Coaching Club. Dabei handelt es sich um eine interne Plattform, auf der Kollegen in Eigeninitiative als zertifizierte Coaches anderen Kollegen Coaching- Sessions in einer vertrauensvollen Umgebung anbieten. Die Idee dahinter ist, Coaching im Unternehmen cross-funktional, über verschiedene Gesellschaften und Landesgesellschaften hinweg zu verbreiten und zu leben. Getreu dem Motto: We learn from each other and from the best in the group, treffen sich die „Club Coaches“ regelmäßig. In kleinen Intervisionsgruppen tauschen sie anonym ihre Erfahrungen in Form einer lösungsorientierten Selbsthilfeberatung aus. Dieses Peer-Coaching dient den Coaches als Inspirationsquelle und zur eigenen Weiterbildung, da sie Fortschritte kritisch hinterfragen und Anregungen austauschen können. Dieser neue Ansatz unterstützt Unternehmen auf dem Weg zur lernenden Organisation.
Eine Vertrauenskultur entwickeln
Exzellente Führung schafft Vertrauen. Denn Vertrauen ist der Schmierstoff der Wirtschaft. Wo es fehlt, brechen Märkte zusammen. Aber wo Vertrauen herrscht, gibt es auch die Sicherheit, nicht hintergangen zu werden. Weil Vertrauen seinen Verpflichtungscharakter auf die Zukunft ausrichtet, sichert es den Marktteilnehmern über einen gewissen Zeithorizont stabile Beziehungen. Warmherzigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie ermöglicht Einflussnahme, indem sie Vertrauen schafft und die Kommunikation und die Aufnahme von Ideen fördert. Beachtung, Respekt und Zugehörigkeit zählen zu den wesentlichen Bausteinen einer Vertrauenskultur. Nur wer seinen Mitmenschen Beachtung schenkt, bekommt auch Beachtung zurück. Eine Führungskraft muss zudem darauf achten, dass sie stets Mitglieder der eigenen Gruppe, die regelmäßig Leistung abliefern oder ihre Ziele erreichen, gegenüber Fremden bevorzugt, denn auch die Zugehörigkeit zu einer Familie oder Gruppe ist ein elementares Grundbedürfnis, das Vertrauen stärkt.
Hybrid Working erfordert neue Führungskultur
Remote Work ist das hybride Arbeitsmodell der Zukunft. Es gibt den Mitarbeitern mehr Freiheit und Autonomie bei der Gestaltung ihrer Arbeit. Hybride Arbeitsmodelle ermöglichen es Unternehmen aber auch, Talente vollkommen ortsunabhängig leichter zu rekrutieren, Innovationen zu fördern und einen Mehrwert für alle Beteiligten zu schaffen. Dieses neue Arbeitsmodell betrachtet den Mitarbeiter nicht mehr als Rendite-Faktor, sondern als Quelle und Ziel allen Handelns im Unternehmen. Im Gegenzug verlangt hybrides Arbeiten aber auch, dass der Mitarbeiter Verantwortung für seine Leistung übernimmt. Er muss entscheiden, wie er seine Arbeit am besten erledigt und welche Hilfsmittel er dafür benötigt. Er muss nicht nur lernen, Entscheidungen selbst zu treffen, sondern auch mit den Konsequenzen zu leben.
Führung kann in diesem Kontext somit nur heißen, den Mitarbeitern die Entscheidung nicht abzunehmen und sie ihre eigenen Antworten finden zu lassen. Führung schafft lediglich den Rahmen, der jeden Mitarbeiter ermutigt und befähigt, Verantwortung für seine Leistung zu übernehmen. Dazu zählt in erster Linie ein vollständiges Informationssystem, das den Mitarbeitern alle relevanten Daten zur Verfügung stellt, die für eine fundierte Entscheidung notwendig sind.
Neues wagen und radikal mit Altem brechen
Führen heißt aber auch, nicht nur das Unternehmen innovativer, digitaler und schlanker zu machen, sondern auch ständig bereit zu sein, seine Meinung zu ändern, wenn neue Erkenntnisse, neue Technologien, neue Wettbewerber auftauchen sowie mit allen Mitarbeitern zu reden, sich für neues zu öffnen, um ein Gefühl für kommende Trends zu entwickeln. Es geht darum, nicht nur Ausschau nach neuen Geschäftsmöglichkeiten, sondern auch nach möglichen Bedrohungen zu halten. Bei der Lösung von Problemen geht oft Geschwindigkeit vor Perfektion. Statt Entscheidungen aus dem Bauch heraus zutreffen, basieren sie auf möglichst viele Daten. Fehler gelten nicht als Scheitern, sondern als Chance zu lernen, Dinge besser zu machen.
Integrität und Loyalität sind dabei wichtiger als Talent. Denn den Mitarbeitern wird am meisten vertraut, die genau sagen, was nicht funktioniert. Widerspruch ist erwünscht und wird in diesem Zusammenhang zur ethischen Pflicht. Und das Eingehen von Konflikten wird zur höchsten Form gegenseitiger Wertschätzung. Das Tantra der digitalen Transformation heißt nicht mehr „Digital First“, sondern „Simplicity wins“. Nur eine radikale Vereinfachung verbessert das Kundenerlebnis und reduziert die Kosten. Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Klimaneutralität, Diversity und die Einhaltung der ESG-Kriterien beim Investment sind ein wirtschaftlicher Imperativ. Sie helfen, eine lernende Organisation zu etablieren.
Eine Kultur von Exzellenz und Menschenwürde
Führungskräfte sind dafür verantwortlich, dass einmal festgelegte Prioritäten auch konsequent umgesetzt werden. Denn das Wichtigste an einer Strategie ist, dass sie auch umgesetzt wird. Die Kommunikation zwischen den Hierarchieebenen muss gewährleistet sein. Das heißt, der Chef ist sichtbar und ansprechbar. Er ist regelmäßig in den internen und externen sozialen Medien präsent und motiviert sein Team Woche für Woche. Für Führungskräfte, die nichts zum Unternehmenserfolg beitragen, ist kein Platz im Unternehmen. Transparenz und Glaubwürdigkeit verlangen von Führungskräften, Fehler und Versäumnisse kompromisslos anzusprechen. Weiterbildung, Mitarbeiterförderung und Nachfolgemanagement sind der Inbegriff guter Unternehmensführung. Es geht im Unternehmen darum, die richtigen Leute an die Spitze zu bringen, das heißt Menschen mit Charakter und Persönlichkeit, die für eine Kultur von Exzellenz und Menschenwürde stehen.
Vom individuellen Lernen zur lernenden Organisation
Lernprozesse werden dabei als Inbegriff unternehmerischen Handelns verstanden. Alle verfügbaren Ressourcen werden auf den Lernprozess ausgerichtet. Um das Gelernte zu festigen und nachhaltig im betrieblichen Alltag zu verankern, muss deutlich mehr Zeit, Energie und Geld investiert werden. Die Methodenkompetenz im Lernen und Lehren muss optimal an die aktuellen betrieblichen und persönlichen Problemstellungen angepasst und die persönliche Beratungs-, Coaching- und Digitalkompetenz aufgebaut werden. Dazu gehört auch, zu akzeptieren, dass andere Menschen mitunter über mehr Know-how verfügen, von dem man profitieren kann. Einher mit dem Respekt gegenüber seinen Mitmenschen geht die Demut, die für Begriffe wie Bodenhaftung, Bereitschaft zum Dienen und Empathie steht.
Im Kern geht es um eine neue Führungskultur. Denn an der Spitze der Unternehmen brauchen wir Menschen, die glaubwürdig sind und durch Verantwortung, Vorbild und Pflichterfüllung überzeugen. Sie sind nicht nur an Zahlen und Effizienz, sondern auch am Wohlergehen ihrer Mitarbeiter interessiert. Sie stehen für Werte wie Integrität, Exzellenz, Fairness, Bescheidenheit und Sinnstiftung. Diese Werte bilden die DNA des Unternehmens. Die vornehmste Aufgabe von Führung ist es, diese neuen Verhaltensweisen vorzuleben. Das wirkt nachhaltig, denn es zeigt, dass Top-Führungskräfte praktizieren, was sie predigen. „Walk the Talk“!
Über Reinhard F. Leiter
Reinhard F. Leiter war von 1972 bis 1981 in den Funktionen Leiter Aus- und Weiterbildung und Personalleiter in der Bayer Group tätig. Von 1982 bis 2013 leitete er bei Allianz SE das Zentrale Bildungswesen und war Head of Executive Events. Für diese Unternehmen war er auf allen fünf Kontinenten und in über dreißig Ländern tätig.
Reinhard F. Leiter war Gründungsmitglied des „Arbeitskreises Assessment Center-Führungskräfteauswahl und Entwicklung in DACH“ und jahrelang Vorsitzender dieses Vereins.
Er ist heute certified Coach für Unternehmer ,Senior Leaders und Executive Coach bei SELECTEAM.
Reinhard F. Leiter publiziert regelmäßig.
Neu erschienen sind :
„Global Coaching Excellence? A holistic approach“, Windmühle-Verlag, ISBN 978-3-86451-060-1 gemeinsam mit Dr. Werner Krings.
Reinhard F.Leiter, „Presentation Excellence – A holistic approach“, Windmühle-Verlag, ISBN 978-3-86451-039-7
Reinhard F. Leiter, „Quality Standards of Presentation Excellence“, www.reinhardfleiter.com
Professional Certificate in Coaching (PCIC) / Foundation in Coaching: Henley Business School at University of Reading GB: Certified
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